Grenzen der Bewegungsfreiheit: verordnete Ansiedlung von Juden im aargauischen Surbtal

von Huner Teimouri, Andrin Schmutz und David Ankli

https://www.google.ch/maps/place/5426+Lengnau/@47.5301721,8.1410149,10.59z/data=!4m5!3m4!1s0x47906c3c2e33cc39:0x8f94cf2d97888ba9!8m2!3d47.5204237!4d8.3296194?hl=de-ch

Dort begann allerdings alles mit einer Zwangsansiedlung: Nach dem 30-jährigen Krieg wurden die in der Schweiz lebenden Juden nicht wie in vielen anderen Regionen Europas vertrieben oder umgebracht, sondern sie wurden vor die Wahl gestellt, das Land zu verlassen oder in zwei ihnen zugewiesenen Bauerngemeinden zu siedeln: Lengnau und Endingen im aargauischen Surbtal.

Die Umsiedlung nach Lengnau und Endingen änderte nichts daran, dass der Lebensraum und Handlungsspielraum der Juden eingeschränkt blieb. Lediglich der Beruf als Hausierer, der Markt und die Verwaltung von Krediten standen ihnen zur Verfügung. Das heisst, dass den Juden auch nicht erlaubt war, Berufe wie die Architektur auszuführen. Deshalb sind die wenigen Synagogen aus der Zeit vor 1900, die man in Europa findet, fast ausschliesslich von christlichen Architekten erbaut worden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Synagoge_(Lengnau): Die Synagoge in Lengnau mitten auf dem Dorfplatz.

Erst Ende des 19 Jahrhunderts erhielt die jüdische Bevölkerung das vollständige Bürgerrecht (Endingen und Lengnau verloren ab dann an Bedeutung). Trotz der erreichten Emanzipation zog es viele Juden (und natürlich nicht nur Juden) in die USA, um dort weniger Antisemitismus ausgesetzt zu sein. Einigen ist dieser Sprung gelungen. Bestes Beispiel ist Guggenheim(https://de.wikipedia.org/wiki/Guggenheim), der von Lengnau nach Philadelphia zog und dort ein Industrieimperium aufbaute. Dessen Sohn liess dem Dorf Lengnau einen Check zu kommen, damit dort ein Alterszentrum für Juden gebaut wird. Einige wollten während dem zweiten Weltkrieg (1939-1948) in die Schweiz, nach Lengnau, flüchten. Nur vier Personen ist dies gelungen. Viele kamen beim Versuch um.

In anderen Ländern Europas wurden die Juden abgeschottet und getötet. Das Wort Ghetto stammt aus dem Italienischen und bedeutet übersetzt so viel wie abgesondertes Wohnviertel. So entstanden Ghettos in Venedig, Rom, Paris und auch in vielen osteuropäischen Städten. Deshalb kann man hier im Falle der Juden in der Schweiz nicht von Ghettoisierung sprechen. Die Schweiz regelte das anders. Sie siedelte die Juden parallel zu der christlichen Bevölkerung an. Juden und Christen lebten teils im selben Haus. Diese Art von Bauten mit 2 Türen wurde eingeführt, da die Juden zwangsmässig untergebracht werden mussten. Man baute 2 Türen, um sich bewusst voneinander abzugrenzen. In den wenigsten Fällen wurde dies aber als feindselig aufgefasst. Es gab zu jener Zeit keinen anderen Ort in Europa, wo Christen und Juden so parallel zu einander friedlich wohnten.

Die Häuser hatten 2 Türen, sodass sich Juden und Christen nicht im Treppenhaus begegneten.

https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/zurzibiet/projekt-doppeltur-noch-fehlen-8-millionen-franken-fur-das-besucherzentrum-ld.1190799

Diese Bauweise ist seit 1874 nicht mehr praktiziert worden, als man die Bundesverfassung von 1848 revidiert hatte. Dadurch wurde den Juden – abgesehen vom Schächtverbot – die gleichen Rechte wie den Schweizer Staatsangehörigen zugesprochen.

Heute ist Lengnau ein Dorf, welches keine jüdische Gemeinde mehr hat, da nicht genug erwachsene und männliche Juden für einen Gottesdienst zur Verfügung stehen. Lengnau ist ein Bauerndorf, welche eine historische Phase der jüdischen Präsenz aufzeigt. Lengnau ist ein aussergewöhnlicher Ort und gilt als hervorragendes Beispiel für das Zusammenleben zwischen Juden und Christen. Deshalb besuchen auch viele Leute aus dem Ausland diesen Ort. Vor allem aus Deutschland besuchen es viele Leute, da ihr damaliges Regime für den Holocaust verantwortlich war. Nach 2000 Jahren hat erst hat die Emanzipation der Juden stattgefunden, aber der Antisemitismus hat deswegen leider keinesfalls aufgehört.