In meinem Projekt, das ich in Toulouse durchgeführt habe, ging es darum zu erfahren, welche Sprachen dort gesprochen werden und wo man ihnen im normalen Stadtleben begegnen kann. Dazu habe ich die freundliche Marion Quenut interviewt, die Expertin ist in den Sprachen Okzitanisch und Esperanto. Im Folgenden werde ich erst auf die Sprachen der Region, dann auf die Sprachen der Eingewanderten eingehen.
Sprachen der Region
Natürlich redet man in Toulouse grösstenteils Französisch (es befindet sich schliesslich in Frankreich). Doch es gibt eine Sprache, die mindestens so zu dieser Region gehört wie das Französische: Das Okzitanische. Es ist der Nachkomme der langue d’oc, die im Mittelalter im heutigen Südfrankreich gesprochen wurde, bevor sich das Französische (langue d’oïl) vom Norden Frankreichs ausgebreitet hat.
Leider hat das Französische diese schöne Sprache, die ein bisschen Spanisch angehaucht ist, ziemlich verdrängt. Man spricht sie, wie es bei solchen Sprachen oft der Fall ist, viel mehr auf dem Land als in den Städten. Ich will euch natürlich nicht mit Details langweilen, aber im Grunde genommen herrschte im 20. Jahrhundert die Vorstellung, dass es der Integration hinderlich wäre, wenn man mehrsprachig aufwächst, sodass sich die Sprache langsam verlor. Inzwischen gibt es nur noch ungefähr 2 Millionen Leute, die fliessend Okzitanisch sprechen, die meisten davon sind alt.
Zum Glück hat der französische Staat inzwischen verstanden, dass Mehrsprachigkeit eine Stärke und nicht eine Schwäche ist, und beginnt, das Okzitanische zu unterstützen. So gibt es Schulen, die immersiv Okzitanisch unterrichten und vor kurzem hat das erste vollständig auf Okzitanisch geführte lycée geöffnet. Lustigerweise befand sich dieses lycée ganz in der Nähe unserer Herberge.

Immigrierte Sprachen
Die Sprachen, die man im Quartier bei unserer Herberge am meisten antrifft, sind Sprachen aus dem Maghreb, will heissen aus Marokko, Algerien oder Tunesien. In Folge des Unabhängigkeitskriegs von Algerien in der 1960ern flohen viele aus dieser Region nach Südfrankreich und haben sich dort eingelebt. Wenn man darauf achtet, sieht man überall Zeichen ihrer Kultur: Da ein marokkanisches Restaurant, hier ein Ladenschild, das auf arabisch geschrieben ist, etc. Mich hat das, um ehrlich zu sein, überrascht. Von Basel bin ich mir eher Einflüsse vom Balkan und nicht von Nordafrika gewöhnt.

Zwei Beispiele von maghrebinischem Arabisch in der Nähe unserer Unterkunft
Zuletzt noch immigrierte Sprachen aus Europa: in Toulouse trifft man viel auf Italiener, Spanierinnen und Portugiesen. Zweitere und letztere flohen aus den Militärdiktaturen des 20. Jahrhunderts, und Italienerinnen waren oft auf Wirtschaftsflucht. Diese europäische Immigranten sind viel weniger “offensichtlich” im Stadtleben als die nordafrikanischen, doch es gibt zum Beispiel eine Bushaltestelle, die “Cité Madrid” heisst, oder viele italienische Restaurants, die die Präsenz dieser anderen Kulturen verraten.
Links: Bushaltestelle “Cité Madrid”
Rechts: Pizzeria, deren Besitzer Italiener ist
Ich hoffe, euch hat dieser kleine Überblick über die Sprachen in Toulouse gefallen. Ich hatte viel Spass dabei, nach Fremdsprachen zu suchen und jeden Fund begeistert abzulichten.