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Kategorien-Archiv: SchülerInnen-Textarchiv

Teils Studio-redigierte, teils unredigierte Modelltexte aus allen Fächern, von SchülerInnen für SchülerInnen

Von Zuchnow nach New York – Auswandern oder zu den Kosaken gehen? Oh Deborah… Die 6D und Joseph Roths Hiob, „Roman eines einfachen Mannes“

21 Montag Jan 2019

Posted by derekbochmann in Aus dem Unterrichtsalltag, Buchempfehlung, SchülerInnen-Textarchiv

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Im Zusammenhang mit der Lektüre von Hiob , einem Roman des österreichischen Schriftstellers Joseph Roth, wurden ausgehend von bestimmten Textstellen des Romans Texterweiterungen verfasst. Anders als im spontaneren Creative writing ist ein solches Vorhaben nur möglich, wenn die Lektüre bereits verinnerlicht und intensiv besprochen worden ist oder wenn man zumindest seit einiger Zeit daran ist, dies zu tun.

Die Vielfalt der Textwelten, welche auf diese Weise ein knappes Jahrhundert später den Romantext würdigen, soll nun ihrerseits hier gewürdigt werden. Eine Auswahl fiel schwer.

Sie soll die Bandbreite der Entscheidungen aufzeigen, die bei der Wahl der Texte getroffen wurden, ohne dass dabei das Handlungsfeld des Romans zu sehr aus dem Blick geriet. Lassen Sie keinen der folgenden fünf Texte aus. Es lohnt sich.

1. Im Spiegel

(Yasemin Genc)

Sachte öffnete ich an diesem Sommermorgen die Augen. Ein wirrer Traum war der Begleiter durch die ganze Nacht gewesen und nur schwach erinnerte ich mich an Menuchims verheultes Gesicht, das als letzte Erinnerung an den Traum erhalten blieb. Seit Tagen dachte ich nur an Menuchim, folglich gewährten meine Sorgen mir auch keine nächtliche Ruhe.

Das Bettlaken von mir entfernend schlüpfte ich aus dem Bett und stand auf. Auf der anderen Bettseite schlief Mendel ruhig und mit leicht geöffnetem Munde. Die Morgendämmerung war neu angebrochen, die Vögel waren gerade aufgewacht und der Tag war wiedergeboren. Doch in mir drückte die Leere. Ohne einen triftigen Grund trat ich zum Tisch und setzte mich direkt vor den ovalen Spiegel. Das Erste, was ich darin erblickte, war nicht mein eigenes Abbild, sondern Mendel, der im Hintergrund weiterhin im Bett schlummerte. Sein Schlaf wurde noch nicht unterbrochen. Doch kurz danach erfasste ich mich selber im Spiegel.

Seit welchem Tage hatte ich mich so verändert? Mein Blick verharrte auf meinen Haaren. Meine Haare? Vorsichtig fuhr ich mit den Fingern über die zahlreichen weissen Strähnen, die sich über Nacht gebildet hatten. Gewiss, es waren meine Haare, an meinem Schädel. Doch all der Glanz, die Stärke und die Anmut waren aus ihnen entwichen. Dünn waren sie geworden, um schlapp an den Seiten meines Hauptes hängen zu können. Es war als hätten die einzelnen Härchen ihre Lebenskraft verloren, nur um zu verwelken und zu verrotten. Passierte dies, weil ich in jeder freien Stunde an meine Kinder dachte?

Doch nicht nur meine Haare litten. Ich spürte eine unfassbare Schwere in meinem Herzen, als ich im Spiegel meine ersten Falten und Hautflecken sah.  Was war es, das sich einen Spass erlaubte meiner Haut jegliche Kraft und Anmut zu stehlen? Schwer sahen meine Arme und Beine aus, schlaff meine Brüste und mollig mein Bauch. Ich zögerte, bevor ich erneut einen Blick in den Spiegel warf. Diesmal genauer, suchender. Als ob ich mich in meiner Wahrnehmung aus Schläfrigkeit getäuscht hatte.

Und da sah ich sie – Deborah, Deborah, die schöne Deborah. Im Spiegel vor mir erschien das Bild der zwanzigjährigen Deborah. Eine kräftige, nachtschwarze Haarpracht schmückte ihr Gesicht mit den weichen und jugendlichen Zügen. Die glatte Haut schien vom Sonnenlicht angezogen zu werden, womit sie im Spiegel heller als zuvor strahlte. Der Körper des Mädchens war straff und gut gebaut. Reizvoll und voller Lebensenergie schenkte die junge Dame ihr bestes Lächeln, mit dem sie schon viele Herzen gewärmt hatte. Ach Deborah, Deborah. Junge, wunderschöne Deborah. Nie werde ich wieder so aussehen. Die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen. Auch wenn die Erde nach einer Nacht stets in den hellen Tag wechseln kann, werde ich nie den Glanz der Jugend  wieder erfahren können.

Allmählich verschwand das Bild der jungen Deborah und ich sah meine jetzige Erscheinung. Ein Körper, dessen Schönheit und Ausstrahlung ausgesaugt wurde. Gealtert und unbrauchbar. Die Schwere in mir wurde mit jedem weiteren Gedanken unerträglicher. Als ich dann schliesslich aufschrie, um mich von den quälenden Gedanken zu lösen, begann ich abrupt mir die weissen Strähnen eine nach der anderen auszureissen. Ich spürte Schmerz. Schmerz auf meiner Kopfhaut, aber auch in meinem Herzen. Erstaunlicherweise half der Schmerz mich wieder zu beruhigen, da er die ungewisse Schwere ersezu ersetzen wusste. Ich schüttelte den Kopf, um zu mir zu kommen. Dann kehrte ich wieder in mein Bett zurück, ohne den Spiegel eines weiteren Blickes zu würdigen. Mendels tiefer Schlaf war zu beneiden: Er schien nichts von dem Aufschrei mitbekommen zu haben. Ich schaute lange auf den weissen Bettbezug und seufzte. Oh, schöne Deborah.

 

2. Schilo

(Lona Nabholz)

Es war ein kühler, sonniger Märztag. Die Luft schien klar und leicht. Ein sanfter, aber stetiger Wind umwehte liebkosend seine von der Kälte geröteten Wangen. Das Dorf lag ruhig, unter einer blendenden Schneedecke begraben, an einem Hügel. Hier und da waren die hellen Stimmen der Kinder zu hören. Sie lachten und kreischten, vermutlich in wilde, fröhliche Spiele vertieft, während die Eltern in den von Holzöfen gewärmten Häusern mit rauchenden Kaminen ihre Sonntagsgebete sprachen. Vom Fuss des Hügels, an dem der Bahnhof lag, erklang das Pfeifen eines Zuges, das weit über die Schneefläche getragen wurde und in der Luft zitternd nachhallte. Er beschleunigte seine Schritte. Unter seinen schweren Stiefeln knarzte und ächzte der Schnee wie ein alter Mann, der mühsam und mit schmerzenden Gliedern einen Hügel hinaufsteigt. Als er den Bahnhof erreichte, schien der dampfende und schnaufende Zug nur darauf zu warten, dass er endlich einstieg, um das schläfrige Dorf mit dem kleinen Kirchturm, dessen Glocken nun einladend läutend hin und her schwangen, hinter sich zu lassen und fliegend über die weite, weisse Landschaft davonzueilen. Schwitzend und ausser Atem stieg er in den hintersten Wagon ein. Sein massiver Körper füllte fast die ganze Tür aus und im Wagon zog er den Kopf leicht ein, aus Angst, er könne sich ihn an der Decke stossen. Sein Körper war der Grund, weshalb er bisher gut durchs Leben gekommen war. Als einziger Sohn eines Bauern hatte er schon von früh auf harte Arbeit verrichten müssen. Als sein Vater krank wurde und immer weiter in seiner Alkoholsucht versank, war dieser Körper das Einzige, was ihn und seine Eltern sowie den Hof am Leben erhielt. Doch eben dieser Körper war ihm nun zum Verhängnis geworden. Er war nicht besonders schlau oder feinfühlig, doch seine körperliche Stärke und gewaltige Statur beeindruckten, wodurch man ihn nach einer kurzen Untersuchung sofort als Soldat genommen hatte. Viele der jungen Männer, die an diesem Tag ebenfalls getestet worden waren, prahlten herum und waren stolz auf ihre Tauglichkeit, doch ihn betrübte der Gedanke an den Einsatz, den Krieg oder die Front. Er wollte auf dem Hof bleiben, sich um seinen kranken Vater und seine gebrechliche Mutter kümmern, denn er wusste, dass die beiden, wenn auf sich allein gestellt, kaum die Möglichkeit auf ein normales Leben haben würden. Der Hof würde verkümmern und mit ihm seine Eltern.

Er setzte sich auf eine der Holzbänke an einen Fensterplatz. Die Luft war stickig, roch nach Schweiss und Tabak. Im Wagon verteilt sassen Männer, die meisten Bauern. Sie waren laut, rauchten und tranken. Obwohl er wusste, dass er nun nach Hause auf den Hof gehen konnte, war seine Stimmung trüb und der laute Gesang der Bauern dröhnte in seinen Ohren. Aus seiner Jacke holte er nun die Flasche, die er schon den ganzen Tag an seiner Brust getragen hatte. Sein Vater hatte sie ihm vor seiner Abreise mit einem müden Lächeln in die Hand gedrückt. Sie war nun warm und schlüpfrig von seinem Schweiss. Er putzte sie an seinem Jackenärmel ab, schraubte sie auf und nahm in kraftvollen Zügen mehrere Schlucke von dem bitteren Gebräu. Danach steckte er sie zurück in seine Jacke und lehnte seinen Kopf ans Fenster. Draussen sah er die letzten Mitreisenden herbeieilen und einsteigen. Seine Aufmerksamkeit fiel auf zwei dunkle Gestalten, die mit hastigen Schritten auf den Zug zugingen. Es waren zwei Juden, gute Freunde oder Brüder, wie es ihm schien, die nun mit von der Kälte geröteten Wangen den Wagon betraten und sich auf eine der Holzbänke setzten. Das Pfeifen des Zuges übertönte kurz die Gespräche und den Gesang der Bauern, der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Er sah wieder aus dem Fenster, die Landschaft glitt langsam vorbei. Weite Schneefelder, dunkle Tannenwäldchen, karge Bäume, vereinzelte Höfe, dann wieder diese weiten Schneefelder. Der Alkohol breitete sich langsam und wärmend in seinem grossen Körper aus. Mit steigender Laune begann er nun, die Gespräche der Bauern zu verfolgen, nahm an ihnen teil und sang laut aus voller Brust im Chor der Bauern mit. Mitten in diesem Gerede und Gesinge fiel sein Blick auf die beiden Juden, die still dasassen, sich ab und zu leise unterhielten und immer wieder wie Kinder mit aufmerksamen, glänzenden Augen aus dem Fenster blickten. Neugierde packte ihn. Er hatte in seinem Leben nicht viele Juden gesehen, bloss vereinzelt auf den Wochenendmärkten, geschweige denn mit einem gesprochen. Das Leben auf dem Hof war schön, jedoch sah er nicht viel von der Welt. Doch nun sass er in diesem Zug mit so guter Laune, wie schon seit Jahren nicht mehr. Er wollte schlichtweg alles ausprobieren, jeden ansprechen, so viel erfahren wie er nur konnte. Sein Herz schlug ihm wie wild in der breiten Brust als sich Worte in seiner Kehle formten, bereit aus ihm herauszusprudeln. Durch den ganzen Wagon rief er ihnen zu «He, warum seid ihr so betrübt?», und versuchte sie freundlich anzugrinsen. Sie ignorierten ihn. Oder sie hatten ihn nicht gehört. Er wusste es nicht. Also erhob er sich, um über die roten, verschwitzten Köpfe der singenden Bauern hinwegzurufen. Erneut liess er ein lautes «He!» erklingen, woraufhin die beiden Juden sich schnell und nervös erhoben. Er freute sich. Sie hatten ihn bemerkt. Mit grossen Schritten ging er durch den Wagon auf sie zu. Als er schliesslich vor ihnen stand, wusste er nicht so recht, wie er nun fortfahren sollte. Er spürte die Flasche an seiner Brust und entschied sich, den beiden von dem Gebräu anzubieten. Der kleinere der beiden Juden, welcher ihn an einen Fuchs erinnerte, lehnte mit knappen Worten ab und wich seinem Blick aus. Der andere nahm das Angebot, zu seiner Überraschung, an und sah ihm mit einem verlegenen aber auch neugierigen Blick ins Gesicht. Er fischte also die Flasche aus seiner Jacke und drückte sie dem Juden mit freundlicher Grobheit in die Hand. Der andere beobachtete die Szene mit verdutztem Blick und nervös hochgezogenen Schultern. In schnellen Schlucken begann der Jude nun zu trinken. Er trank und trank, bis die Flasche leer war und sank gleich darauf vom Alkohol betäubt in sich zusammen. Belustigt und überrascht hielt er die Hand hin, um seine Flasche entgegenzunehmen. Der Jude lag seinem Begleiter wie einer Geliebten im Schoss und bewegte sich nicht. Mit prüfendem Blick beobachtete er den Brustkorb des Juden und sah schliesslich, dass dieser sich leicht hob und senkte. Er berührte den Juden mit seinem Stiefel an der Schulter, wie um noch einmal sicherzugehen, dass dieser noch lebte und kehrte schliesslich mit einem Schmunzeln auf den trockenen Lippen zu seiner Holzbank zurück.

Den Rest der Fahrt verbrachte er mit Gesprächen und langen Blicken auf die vorbeiziehende Landschaft. Da seine Flasche leer war, verliess die Wirkung des Alkohols langsam seinen Körper und liess ihn mit einem dumpfen Gefühl im Magen und schwerem Kopf zurück. Als der Zug Podworsk erreichte, erhob er sich, schwankte kurz und ging mit schweren Schritten in Richtung Tür. Er sah, wie der Jude verzweifelt versuchte seinen vom Alkohol schlappen Begleiter aufzurichten. Als er ihre Holzbank erreichte, griff er dem Schlafenden unter die Achseln und stellte ihn mit Hilfe der anderen Reisenden auf die Füsse, dann verliess er den Zug.

Es war Abend, die Luft hatte sich stark abgekühlt. Er nahm einige tiefe, gierige Atemzüge, um Klarheit in seinen vernebelten Kopf zu bringen. Der Schnee auf dem langen Landweg knarzte und ächzte unter seinen schweren Stiefeln, der kühle Wind fuhr durch seine Kleidung und Haare, eilte mit ihm über die weiten, weissen Felder. In der Ferne sah er zwei dunkle Gestalten, die mit schnellen Schritten durch die blendende Schneelandschaft zogen, immer kleiner wurden und schliesslich mit dem Dunkel eines Tannenwaldes verschmolzen.

 

3. Ankunftsgeschichten

(Gabriel Gut)

Endlich. Da stand ich also. Ich konnte es gar nicht abwarten, der Familie meines Freundes Sam den Brief zu überreichen. Ich war so nervös wegen des ersten Aufeinandertreffens und der Sprachbarriere, dass ich, als ich in das Haus eintreten wollte, vor lauter Aufregung wie angewurzelt im Türrahmen stehen blieb. Oder vielleicht blieb ich auch einfach dort stehen, weil der Mann, der sich vor mich hinstellte, mich in Augenschein nahm. Aufgrund dessen, dass er mich einer gründlichen Betrachtung unterzog, wagte ich es nicht, einen Fuss in das Haus zu setzen.

Er musste wohl der Vater meines Freundes Sam sein. Der Singsang, den ich zuvor aus dem Haus vernommen hatte, als ich darauf zugelaufen war, verstummte.

Eine Frau, die auf einem Hocker gesessen hatte, musterte mich ebenfalls. Womöglich war es Sams Mutter.

Sams Vater sah genauso aus wie auf dem Foto, das ich zu Gesicht bekommen hatte: Sein Antlitz war blass und wurde von einem schwarzen Vollbart umrahmt, der bereits begann ins Graue überzugehen. Über den Mund liess sich nicht viel sagen, denn dieser war von einem Bart verdeckt, genau wie auf dem Foto. Seine Augen waren gross, schwarz und träge. Sie wirkten müde, da sie verhüllt waren von den schwer aussehenden Augenlidern. Mehr konnte ich nicht beobachten, denn mein Körper empfand plötzlich den Drang, sich mit einem hastigen „Hi“ mitzuteilen. Ich blieb noch immer, aus für mich unerfindlichen Gründen, im Rahmen der Tür stehen. Eigentlich hätte ich nun definitiv eintreten und den Brief der Familie überreichen sollen. Vielleicht verspürte ich ein Unbehagen, weil die Reaktion auf mein „Hi“ absehbar war und ich ging deshalb nicht hinein. Und tatsächlich: Unmittelbar, nachdem ich „Hi“ gesagt hatte, fingen die Kinder, aus deren Münder zuvor die einfache Melodie ertönt war, an zu lachen. Ich sah, wie Mendel ein Schmunzeln über das Gesicht huschte. Trotz meines anfänglichen Unwohlseins, welches mir nun bewusst war, begann ich jedoch die Anfangsseite des Briefes vorzulesen, den ich davor sorgfältig aus meiner Rocktasche gezogen hatte. Doch auch dieses Mal fingen die Kinder erneut an zu lachen. Warum sie lachten, wusste ich noch immer nicht genau. Doch mittlerweile war es mir auch egal.

Als ich nach Beendung des Vorlesens zur Verdeutlichung der Herkunft des Briefes noch das Wort Amerika in den Raum warf, da ich eigentlich annahm, dass durch das Vorlesen, trotz der Sprachbarriere, eine Euphorie ausbräche und nicht ein Gelächter, begann Mendel Singer über das ganze Gesicht zu strahlen. Ganz zögerlich löste sich der Name Schemarjah von seinen Lippen.

Mir schien, als wäre ihm nun klar geworden, von wem der Brief stammen musste. Endlich.

4. Der letzte Brief – Krieg

(Serge Stibler)

Sehr geehrte Frau Mendel, sehr geehrter Herr Mendel

 Es ist meine traurige Pflicht, Sie über das Ableben Ihres Sohnes Jonas Mendel in Kenntnis setzen zu müssen.

Jonas entglitt sanft und im Schlaf der lebenden Welt, ohne die Qualen eines langsamen, schmerzhaften Todes erdulden zu müssen. Er erlag unerwartet seinen Verletzungen. Ich kann mit Stolz behaupten, dass Ihr Sohn einen heldenhaften Tod für sein Vaterland starb. Er war ein Vorbild für seine Kameraden und zeichnete sich durch exzellente Reitkünste und stets freundliches Verhalten aus. Obwohl Jonas seinen Tod nicht an der Front fand, kann ich Ihnen versichern, dass Jonas seiner Schuld als Soldat tatkräftig nachkam. Er war tapfer und lernte den Feinden des Zaren das Fürchten. Ich als sein Vorgesetzter, bin stolz und fühle mich geehrt, einen solch vorbildlichen Soldaten in meiner Einheit gehabt zu haben.

Ich will Ihnen nochmals mein Bedauern und meine Betroffenheit über Ihren Verlust aussprechen.

Bei Ihrem Sohn fanden wir einen Brief, den er noch am Vorabend an Sie senden wollte und der sich schon verschlossen im Kuvert befand. Wir haben ihn diesem Schreiben ungeöffnet beigelegt und hoffen, dass Sie Trost in seinen letzten, an Sie gerichteten Worten finden.

Hochachtungsvoll, Leutnant Vladimir Pudovkin

Liebe Mutter, lieber Vater, liebe Schwester und lieber Bruder

Ich hoffe, Ihr seid wohlauf, auch hoffe ich, dass Schemarjah nicht Kriegsdienst für Amerika leisten musste.

Der Krieg hier war schrecklich. Es war kalt und ich verweilte lange in den Schützengräben. Dies war unerträglich für mich. Ich, der es liebt zu reiten und in vollem Galopp das Rauschen des Windes in den Ohren zu haben, fühlte mich dort wie eingesperrt. Ich hörte von anderen Soldaten Geschichten über das schöne Amerika. Sie erzählten von einem Land mit weiten Ebenen, die bis zum Horizont und noch weiter reichen sollen. Es muss schön sein in jenem so fernen Land. Ich hörte, dass es dort viele Pferde gibt. Stimmt das?

Das Soldatenleben, wie ich es in meinem letzten Brief beschrieb, war schon lange nicht mehr dasselbe. Die Befehle von oben wurden immer ungenauer und hektischer. Sie widersprachen einander immer öfter. Lange Zeit standen oder lagen wir einfach nur in den Gräben. Wenigstens war es bei uns die meiste Zeit so kalt, dass der zerbombte Boden nicht zu einem Schlammfeld wurde. Doch das hatte auch seine Nachteile. Jedes Loch, das wir in den Boden graben mussten, wurde dadurch zur Qual. Manchmal hatten wir Glück, und die tödlichen Granaten, die schier unaufhörlich um uns herum einschlugen, nahmen uns die Arbeit des mühsamen Grabens ab.

Immer mehr begann ich diesen Krieg zu hassen. Die Pferde, die sonst immer so ruhig im Stall warteten, waren permanent nervös und angespannt. Früher gaben sie mir Sicherheit vor einem Angriff. Doch in einem Graben, im kalten Boden, fühlen auch sie sich nicht wohl. Sie wieherten bei jedem Granateneinschlag. Oft gab es für die Tiere wenig Nahrung und sie litten unter vielen Krankheiten. Mich verfolgten die Schreie dieser Pferde, wie die Schreie der anderen Soldaten. Auch ich sehnte mich nach den weiten Ebenen, in denen wir das Reiten übten und ich meine Liebe zu Pferden entdeckte.

In einer eisig kalten Nacht wurden wir angegriffen. Ich hatte grosses Glück, wurde nur verwundet und in ein Lazarett gebracht.

Im Lazarett erst, lernte ich das wahre Gesicht des Krieges in all seiner Schrecklichkeit kennen. Ich selbst verstehe mich als Veteranen. Ich war ja schon vor dem Krieg im Militär und hatte Kämpfe erlebt, aber diese Art des Krieges war neu für mich. Im Lazarett wurde mir bewusst, welche Ausmasse dieser Krieg hatte. Auch wurde mir klar, wie schamlos wir benutzt und betrogen wurden. Unsere Befehlshaber waren oft jünger und unerfahrener als ich. Nur weil sie adelig waren, kamen sie im Militär zu unverdient hohem Rang. Doch im Lazarett liegen alle auf den gleichen Betten, schreien alle gleich und kommen in die gleichen Särge. Unruhen machten sich unter den Soldaten breit. Viele wollten eine Veränderung. Sie wollten zurück zu ihren Familien und sie wollten Arbeit. Wenige Überzeugte versuchten dem Rest der Soldaten weiszumachen, dass es eine Lösung für alle Probleme gibt, den Kommunismus. Einer dieser Verfechter war der Mann, der neben mir lag und die Folgen eines missglückten Gasangriffs auskurieren musste. Alle nannten ihn hier spöttisch den Genossen. Er erzählte mir von den Untaten, welche unser Zar begangen haben sollte. Er wollte mich von seiner Ideologie überzeugen. Doch ich als ehemals strenggläubiger Jude weiss genau, dass diese Ideologie niemals umsetzbar wäre. Die Menschen sind zu verschieden. Um völlig gleich zu sein, müssten zuerst die Vorurteile gegenüber anderen Menschen verschwunden sein.

Ich ging früher zum Militär, weil ich es schätzte, nicht immer selbst denken zu müssen und weil man sich darauf verlassen konnte, dass für die Soldaten gesorgt wurde. Das ist jetzt nicht mehr so einfach, alles beginnt sich zu verändern.

Ich habe lange nachgedacht und daher beschlossen, dass ich nicht mehr Teil dieses Krieges sein möchte. Ich spüre, dass grosse Veränderungen auf dieses Land zukommen werden. Ich möchte, sobald ich wieder gesund bin, weg von hier.

Mein Ziel ist es, den Dienst zu quittieren und nach Amerika zu reisen. Durch meine grausamen Erlebnisse in diesem Krieg und all das Leid, das ich im Lazarett gesehen habe, sehe ich das Leben heute anders. Ich sehne mich nach den Schönheiten des Lebens und ich bedaure es, Euch so lange nicht mehr gesehen zu haben. Ich will mein Glück auch in Amerika suchen, auch wenn ich mich vielleicht, um dorthin zu gelangen, illegaler Mittel bedienen muss.

Meine Hingabe zu der Arbeit mit Pferden, die mir in diesem Krieg Halt gegeben hat, sollte mir auch in Amerika helfen mein Brot zu verdienen. Sobald wie möglich werde ich mich auf die Suche nach Euch machen und ich kann es kaum erwarten, Euch alle  wieder in die Arme zu schliessen.

Bleibt gesund und passt auf Euch auf!

Euer Jonas

 

5. Hiob – Epilog – Psychiatrie

Der Vater lag im Schlaf mit leicht angehobenen Mundwinkeln. Seine Falten zogen sich entspannt durch das Gesicht. Er sah aus wie ein Kind, das sich nach vielem Herumtoben müde und mit Süssigkeiten vollgestopft ins Bett gekuschelt hatte. Inzwischen erreichte Menuchim die Anstalt, in der sich Mirjam aufhielt. Die grauen Türen führten zu grossen weissen Räumen, welche mit Dutzenden gleichartiger Möbel und Gegenstände bestückt waren. Da die Zimmer nicht mit Nummern gekennzeichnet waren, konnte man sich leicht verirren. Die Anstalt hatte mehrere Stockwerke. Jedes davon war identisch mit dem anderen, abgesehen vom Personal. Mirjam bewohnte ein seperates Zimmer. Sie war ein Sonderfall. Man achtete besonders darauf, dass sie mit keinen Leuten des männlichen Geschlechts in Verbindung kam. Es war immer mindestens eine Schwester an ihrer Seite und sorgte dafür, dass sie nicht aus dem Zimmer ausbüchste, um sich an die anderen Patienten zu schmiegen.

Zimmer 194. Kossak sah auf die kalte, graue Tür hinab. Dahinter befand sich seine lang ersehnte Schwester – Mirjam Singer. Er durchkramte seine Erinnerungen nach ihr. Immer wenn er versuchte sich zu erinnern, kam ein verschwommenes Bild auf, als ob er durch eine milchige Glaswand schauen würde. „Alexej Kossak?“, erklang es hinter ihm. Menuchims Blick wurde auf einen grossgewachsenen Mann im Arztkittel gezogen. „Ich muss Ihnen leider berichten, dass es keine Fortschritte gab, was Ihre Verwandte betrifft.“ Für einen kurzen Augenblick stand sein Herz still, er erlangte jedoch schnell wieder die Fassung. „Ich verstehe“, meinte  Kossak. Sie tauschten Förmlichkeiten aus. „Darf ich einen kurzen Moment“…, er deutete mit dem Kinn auf die Türe. Der Arzt verstand ihn und verschwand zusammen mit den Schwestern hinter der nächsten Tür, nachdem er Menuchim gewarnt hatte. „Passen Sie auf, Fräulein Singer ist keine traktable Frau. Und manchmal“, der Arzt seufzte, „eine etwas impertinente Person.“

Kossak betrat das Zimmer. Eine bleiche Frau mit blauschwarzem Haar entblösste sich hinter einem weissen Vorhang, den er zur Seite schob. Sie befand sich in einem leichten Schlaf und war wie fremdes Blut in seinen Augen. Bis auf das schwarze Haar teilten sie nichts miteinander. Dann schlug Mirjam unerwartet die Augen auf. Sofort zogen sich ihre Blicke wie ein Schwarzes Loch gegenseitig an. Zuerst sah Kossak Mendels Augen vor sich: gross, schwarz, träge und halb verhüllt von den schweren Lidern, doch ihre Augen unterschieden sich von denen ihres Vaters. Dieses Augenpaar besass Kälte, Grausamkeit und etwas Intrigantes. Es musterte ihn wie die Beute seines nächsten Fangs.

Aus Mirjams Sicht sah die Begegnung anders aus. Vor ihr tauchte ein Mann auf. Die natürliche Noblesse seines Auftretens verlieh ihm etwas Mysteriöses. Sie begutachtete seine edle Kleidung und seine schmalen Lippen. Aber eigentlich schlug ihr Herz Purzelbaum, weil er einfach männlichen Geschlechtes war. Gerade als sie ihm ihren Körper darbieten wollte, blitzten seine Augen hinter der Brille auf. Es waren zwei schwarze Punkte, die Welten beinhalteten. Sie glänzten wie Juwelen, die aus Weisheit und Güte geformt wurden. Solche Augen hatte sie schon einmal gesehen. Vor vielen langen Jahren. Sie führten Mirjam zu einer vereisten Erinnerung – zum schmutzigen Wasser, etwas Schwerem in der Hand und zu einem Todeswunsch.

Es brachte Mirjam zum Schweigen. Sie sass nur da und starrte ihm in die Augen. Keiner wusste, was ihr durch den Kopf ging. Nach einer Weile riss sich Kossak von ihrem hypnotischen Blick los und versuchte mit ihr zu reden, aber nichts nützte. Sie rührte sich nicht, jedoch verfolgten ihre Augen die seinen. Schliesslich holte Menuchim die Ärzte. Durch Mirjams Kopf ging es wie ein Stummfilm. Sie sah den bekannten Mann vor ihr, der sich mit den Schwestern und Ärzten unterhielt. Obwohl der Arzt männlich war, blieb sie an den Augen Kossaks hängen. Ihr Blick wandte sich nicht von ihm ab. Das war das erste Mal in der Klinik, das sie sich nicht an Männer schmiegte. Mirjam wusste nicht, wie lange dieser mysteriöse Mann geredet hatte. Aber eher sie sich versah, war sie bei ihm im Auto und dann in einem Hotel mit ihm und Mendel.

Mendel Singer erwartete hoffnungsvoll seine beiden Kinder. Als er Mirjam sah, rüttelte er sie sanft. „Mirjam! Mirjam!“, sagte er. Ihre Wangenknochen waren zum Vorschein getreten, ihre Hände schmaler und ihr Haar länger. Für Monate hatte Mendel sie nicht gesehen. Sie antwortete nicht, ihr Auge immer noch auf Menuchim fixiert. Irgendwann gab Mendel seine Gesprächigkeit auf und beschäftigte sich mit etwas anderem.

Sie verbrachten einige Tage in San Francisco und in Chicago. Dann nahmen sie Mirjam mit nach Europa. Bisher waren keine Probleme mit Mirijam aufgetreten. Wenn Kossak ging, dann ging sie auch, wenn er ass, dann ass sie auch, wenn er schlief, dann wurde sie müde und wartete auf den nächsten Tag, bis sich diese Augen nochmals öffneten und sie diese in aller Ruhe betrachten konnte. Eines Tages als Alexej Kossak eines seiner Konzerte gab und Mirjam mit Mendel im Hotel blieb, legte Mendel Menuchims Lied auf. Der Klang zeigte Mirjam Gefühle, die sie nie zuvor erlebt hatte. Es war eine Mischung aus Trauer, Güte und Entschlossenheit. Die Melodie wickelte sich sachte um ihr Herz und floss durch ihre Venen. Sie schloss die Augen und wippte, ohne es zu bemerken, mit dem Takt mit. Als Mendel sie erblickte, betete er zu Gott und dankte ihm für ihre erste Reaktion, die sie seit langem zeigte. „Das Kind wird gesund!“, dachte sich Mendel. Immer als das Lied endete, legte es Mirjam nochmals auf. Nach ein paar Durchgängen summte sie sogar mit! Jedoch reichte dies nicht, um sie zu heilen. Als Menuchim zurückkam, betrachtete er das Ganze überrascht. Sofort galt Mirjams Aufmerksamkeit wieder seinen Augen. Dieses Mal fand Kossak etwas anderes in ihrem Blick. Es war lebendiger, als ob sie ein Teil des Liedes in sich aufgenommen hatte.

Da kam ihm eine Idee.

Nach einigen Monate war es so weit. Es war das erste Mal, dass sie Mirjam mit auf eines seinen Konzerten mitgenommen hatten. Mirjam war begeistert von den Stücken, dann kam ein Lied, dass Alexej Kossak, nein – Menuchim ! – vorstellte. „Dieses Stück ist ganz besonders für mich“, meinte Menuchim. „Es entstand, als ich an meine Schwester dachte.“ Seine Augen, die so voller Leben strahlten, fanden in dem überfüllten Saal die seiner Schwester. „Deshalb gab ich diesem Stück den Namen ‚Mirjam‘.“

Unittelbar fesselte es seine Schwester, als der erste Ton erklang. Die Melodie drang durch ihren Körper und vermittelte ihr Traurigkeit. Sie erinnerte sich an den Tag, an dem sie Menuchim ertränken wollte und wie er in ihre Augen gestarrt hatte. Es war nicht ein Blick des Hasses auf seine Schwester gewesen, sondern den Blick eines Kindes voller Liebe, Gnade und Verzeihung, das keinen Hass kannte. Denselben Blick, den er in diesem Moment auf der Bühne trug als, er dieses Lied dirigierte. Erst jetzt verstand Mirjam, was der stumme Menuchim ihr über die ganzen Jahre hinweg hatte sagen wollen. Die Melodie verwandelte sich in eine warme Umarmung, die Mirjam wiegte und ihr ein Gefühl gab, als ob sie wieder zu einem kleinen Kind geworden war und geborgen in den Armen ihrer Mutter lag. Mit dem Unterschied, dass es ihr jüngster Bruder war, der sie in den Armen hielt. Der letzte Teil des Stückes streichelte ihr sanft das Haar und breitete sich wie ein warmer Trank voller Güte und Liebe in ihrem Herzen aus und füllte sie bis in den Fingerspitzen. Als ob Menuchim sie mit seinen grossen Händen tröstete. „Lass alles heraus. Es ist gut. Es ist gut Ich habe dir schon längst vergeben, Schwester. Steh jetzt auf und fange neu an. Ich werde dir zur Seite stehen“, sagten die letzten Klänge.

Sie hatte mitten im Stück angefangen zu schluchzen und den Rest des Stückes rief sie immer wieder Menuchims Namen und „es tut mir leid“ vor sich hin. Das Publikum um sie herum beklagte sich, dass sie das ganze Stück übertönte. Ganz am Schluss kam ein fast unhörbares „danke“ über ihre Lippen. Sie war in Tränen und Schleim verhüllt. Alexej Kossak selbst ging in Begleitung des Scheinwerfers hinauf zu ihr und nahm sie in eine feste Umarmung, so dass sie noch lauter schluchzte und heulte. Er streichelte ihr Haar und sie packte ihn mit beiden Armen und krallte sich fest an seinen Anzug. Genau das hätte sie tun sollen, vor Jahren. Sie hätte ihn nicht hassen sollen, sondern lieben. Sie hätte ihn in ihre Arme nehmen sollen und nicht ertränken. Zum allerersten Mal verspürte Mirjam Geschwisterliebe.

Und so wurde Mirjam geheilt. Mendel pries Gott, wie er den Allmächtigen noch nie zuvor gepriesen hatte. Er hatte eine Frau, die zuvor in Promiskuität gelebt hatte und deren Augen nur Kälte gegenüber der Familie kannten, geheilt und so schön und sanftmütig wie kein anderer zurückgegeben. Menuchims Lieder können heilen.

Sieben Jahre zogen vorbei. Menuchim komponierte viele neue Stücke, unterdessen auch ein Stück für Deborah und Jonas. Über Schemarjah hatte er nicht viele Erinnerungen, doch er sendete ihm Grüsse von der Erde. Mendel konnte nicht mehr gut sehen, aber er freute sich, denn Mirjam hatte einen frommen Mann gefunden und ihm viele Enkel geboren.

Alle waren versammelt beim Familienessen, dann klingelte es an der Haustüre. Mendel hatte ein Déjà-vu. Keiner wusste, wer es war, bis Mendel die Tür aufmachte. Ein erwachsener Mann mit kahlem Kopf stand ihnen gegenüber. Er trug ein weisses Hemd mit Krawatte. In seinen Händen hielt er Stöcke, da ihm ein Bein fehlte, dennoch begrüsste er Mendel mit einem breiten Lächeln. „Nachmittag Sir, ich suche nach einem Mendel Singer.“ – „Das bin ich!“, antwortete Mendel. Er aber erkannte die Stimme nicht und sah den Fremden nur verschwommen. „Ich bin es, Vater, Jonas!“. Mendel Singer began zu lachen. Er bat den Gast herein und tastete sein Gesicht ab, wie er es vor Jahren mit Menuchim gemacht hatte. Das war der glücklichste Tag seines Lebens. Wenn Deborah das gesehen hätte. Jetzt war er froh diesen Tag miterleben zu dürfen.

Sie assen und tranken zusammen, liessen sich Zeit, unterhielten sich miteinander und schossen zum Schluss ein Familienfoto.

Ein paar Tage später starb Mendel an Altersschwäche. Er starb mit einem Lächeln auf den Lippen. Es war, als ob Gott ihm extra noch diesen einen Tag erleben liess und ihn dann zu sich hinaufholte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vier Theaterkritiken: Macbeth oder die Schule des Bösen im Vorstadttheater

11 Donnerstag Aug 2016

Posted by samuelstrassburg in Aus dem Unterrichtsalltag, SchülerInnen-Textarchiv, Theaterkritik

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Bild 1 MacBeth
Bild 2 MacBeth

 

Die Klasse 1e war am 20. Mai im Vorstadttheater und hat sich das Stück „Macbeth oder die Schule des Bösen angesehen“. Es folgen vier Theaterkritiken, erstellt von den Schülern.

Macbeth oder die Schule des Bösen auf der Webseite des Vorstadttheaters

Theaterkritik Nr. 1

Am 20. Mai haben wir das Theater Macbeth gesehen. Dies wurde im Vorstadttheater von 4 Schauspielern aufgeführt. Diese vier Schauspieler haben natürlich mehrere Charaktere gespielt, da dieses Stück viele Charaktere beinhaltet. Da wir schon öfters im Vorstadttheater waren, kannten wir diese Art des Theaters schon. Wir persönlich sind keine Fans dieses Formates, weil es oft so ist, dass es mit der Zeit verwirrend werden kann. Dieses Mal fanden wir es allerdings nicht so schwierig dem Charakterwechsel zu folgen, dies wahrscheinlich auch, weil wir in der Schule schon einen kurzen Überblick der Geschichte (in Form eines Videos) erhalten haben. Ausserdem fanden wir, dass es auch mit den Kostümen sehr gut gelöst war. Allerdings müssen wir sagen, dass wir die ganze Geschichte höchstwahrscheinlich, ohne dieses Video, nicht durchblickt hätten. Beeindruckt waren wir davon, dass das ganze Theaterstück funktioniert hat, obwohl es nur wenige Requisiten, Kostüme, Bühnenbilder und Schauspieler gab. Das ganze Stück war sehr düster gehalten, was wir aber eigentlich gut fanden, da es auch zur Geschichte passt. Originell fanden wir vor allem die Ansprache bei der Beerdigung des Königs, bei welcher man zuerst gedacht hat, dass der Pfarrer irgendetwas sehr kluges auf Lateinisch erzählt, als dann aber immer wieder Wörter wie „Risotto“ fielen wusste man, dass das Ganze ein Witz war. Auch die musikalischen Einschübe haben uns gefallen.

Insgesamt hat uns diese Umsetzung von Macbeth gefallen, wir wären aber ohne das Erklärungsvideo leicht verloren gewesen. Empfehlen würden wir es Leuten über 12 Jahren, die die Geschichte vielleicht schon ein wenig kennen, oder dem Charakterwechsel sehr schnell folgen können.

Enya, Simone, Patrick

Theaterkritik Nr. 2

Wir waren im Vorstadttheater, dort haben wir das Theaterstück Macbeth gesehen .Es hatte viele gute Punkte aber auch schlechte. Einer der schlechten Punkte war das man die Geschichte bereits kennen musste um es zu verstehen Andererseits waren die Schauspieler sehr überzeugend und verkörperten die verschiedenen Charaktere sehr gut. Für kleinere Kinder wäre das Theater aber nicht geeignet, da es sehr laut, unheimlich und etwas zu lang war (ca. 2 Stunden). Für Jüngere (Unter 9 Jahren) wäre das Stück leider nichts. Das Stück wurde nur von drei Schauspielern und einer Schauspielerin gespielt. Mit verschiedenen Kostüm- und Stimmenwechseln wurden die unterschiedlichen Charaktere dargestellt, was gut rüberkam aber zum Teil etwas verwirrend war. Die Charaktere wurden aber nicht immer strikt von einem/r Schauspieler/Schauspielerin gespielt. Wer ein klassisches Shakespeare- Theaterstück erwartet wird wohl enttäuscht werden, da etwas von der Dramatik und Romantik verloren ging. Das Bühnenbild war immer gleich was schade war da man sich nicht so gut in das Geschehen versetzen konnte. Die bedrückende Stimmung war so gut umgesetzt, dass es für den Zuschauer regelrecht unangenehm wurde. Wir würden dem  Stück 6 von 10 Sterne geben, da es alles in allem ein ganz liebevoll gestaltetes Stück war.

von Nele, Jana und Lilly

Theaterkkritik Nr. 3

Als wir am Freitag vor dem Vorstadttheater standen, freuten wir uns darauf endlich ein Stück von Shakespeare zu sehen. Mit diesem Gedanken lagen wir nicht falsch, er war aber auch nicht richtig. Die Grundgeschichte von Shakespeares Stück und die der Neuinterpretation des Vorstadttheaters waren dieselbe, nur wurde im Vorstadttheater beinahe jede Nebenrolle gestrichen und die restlichen Charakteren nur von vier Schauspielern, einer Frau und drei Männern, gespielt. Jedoch wurde nicht jede Rolle strikt von einem Schauspieler verkörpert, sondern zum Teil auch von zweien abwechselnd. Die Schauspieler wechselten ihre Rollen durch kleine Veränderungen am Kostüm, direkt auf der Bühne. Die Geschichte wurde von vier Hexen erzählt die recht lustig, aber auch sehr skurril und vor allem am Anfang ein bisschen beängstigend auf uns wirkten, da sie viel herumkreischten. Das Bühnenbild war einfach gehalten und veränderte sich während des ganzen Stückes nicht. Spezialeffekte wie Geräusche und Licht machten die Aufführung spannender. Das Einzige was uns störte war, wenn zwei oder drei Schauspieler auf einmal redeten und man keinen verstehen konnte. Oft war das wohl absichtlich, aber manchmal gab es einfach zu viele Hintergrundgeräusche, die es zeitweise sehr anstrengend machten. Wir haben viele positive Eindrücke mitgenommen und wir können das Stück nur weiterempfehlen.

von Lena, Stephan, Gaëlle und Rebecca

Theaterkritik Nr. 4

Zum Anfang gab es verschiedene Meinungen:

Einerseits war es sehr beängstigend und verwirrend, weil man noch gar nicht in die Geschichte eingetaucht war. Andererseits war es irritierend, doch das war spannend, interessant und hat Aufmerksamkeit geweckt. Es war sehr bewundernswert wie gut sie einem übermitteln konnten, welche Figur sie gerade darstellten. Obwohl es nur vier Schauspieler waren. Die verschiedenen Requisiten und Kostüme, die die Charaktere voneinander unterschieden, waren gut ausgewählt.Sehr viele Effekte, wie das repetitive Lachen waren ausschlaggebend. Einige fanden dies gerade spannend und faszinierend, andere fanden es jedoch unangenehm.Die Szenen waren unterschiedlich aufgebaut und hatten verschiedene Umsetzungsarten. Doch durch das ganze Stück konnte man dem roten Faden der Geschichte folgen. Was uns aufgefallen ist, ist dass sie im Theater nicht nur durch sprechen, sondern viel durch Gesten, Musik, Körpersprache und Geräuschen uns übermittelt haben.

Celina, Melanie, Jula, Javier, Nicole

zur Vorbereitung

Die Klasse hat sich mit folgendem Material auf den Theaterbesuch vorbereitet:

http://www.hoerbuecher-blog.de/macbeth-ein-epos-shakespeare-trifft-game-of-thrones

http://www.br.de/radio/bayern2/kultur/radiotexte/william-shakespeare-macbeth-100.html

ab Minute 24.38 – 47.38

https://www.youtube.com/watch?v=rFtCYESosDw

Eugène Meiltz: La Vallée de la jeunesse – un écrivain de visite chez nous

17 Donnerstag Mrz 2016

Posted by kirschgartenstudio in Aus dem Unterrichtsalltag, Buchempfehlung, SchülerInnen-Textarchiv

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Ein Schriftsteller aus der Romandie war bei uns zu Gast – zusammen mit der Übersetzerin Tatjana Michaelis, die seinen Roman ins Deutsche übersetzt hat.

Vor unseren ersten Beiträgen noch ein Link zu einem nzz-Artikel:

http://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/abschied-von-der-jugend-1.18269533

Voici d’abord quelques impressions de la visite de l’auteur et sa traductrice. Un peu plus bas, vous trouverez quelques résumés de chapitres choisis.

La reliure du livre (2ème édition)

Mardi, le 19 janvier, Eugène, l’auteur du livre « La vallée de la jeunesse » est venu dans notre école pour présenter son livre. Il a commencé en parlant de sa vie et de ses expériences, quand il a présenté son livre. Il a même mis au point une façon de sketch pour faire découvrir son livre sur sa propre vie. J’ai trouvé ça super. C’était un « one-man-show ». Il adapte l’accent de sa mère ou de sa grand-mère, il fait un peu de comédie. Et ça, j’ai trouvé que c’était une super bonne idée. C’était, pour une fois, un autre type de présentation d’un livre, pas ordinaire.
Après on a eu le temps pour poser des questions. Il nous a raconté la Roumanie, comment il avait commencé à écrire son livre, et sa traductrice nous a expliqué son travail et particulièrement son travail avec le livre d’Eugène.
Leonne 5G

Je trouve que c’était une bonne occasion de pouvoir parler à Eugène. On a pu lui poser des questions sur son livre. J’ai bien aimé quand il a joué du théâtre. Je trouvais que c’était rigolo. Je trouve aussi que c’est une bonne idée d’écrire un livre de sa vie mais pas une autobiographie [= mais en parlant des objets bien- ou malfaisants qui ont marqué cete vie réd.]. C’est une bonne idée de venir comme écrivain chez des élèves pour leur parler de son livre et pour les inspirer à écrire quelque chose.
Kalthoum 5G

C’était très drôle. Eugène raconte l’histoire derrière le roman très précisément et avec beaucoup d’humour. Aussi j’ai appris des choses qu’un auteur fait et comme c’est dur de s’intégrer en Suisse. Son style de présentation m’a fasciné et j’ai compris surprenamment beaucoup et bien.
Il est très sympathique et c’était un grand plaisir d’écouter sa présentation.
Dominick 5G

 

 

 

images-1

La Vallée de la jeunesse est aussi le nom d’un grand espace de jeux près de Lausanne, qui existe encore

 

 

Au début, j’ai cru que la présentation serait très ennuyeuse. Cette crainte n’a pas été confirmée. J’ai bien aimé le jeu d’Eugène, il était très drôle. J’ai appris des choses que je ne savais pas par exemple sur les difficultés de traduire un livre dans une autre langue. J’ai trouvé la présentation intéressante et pas ennuyeuse.
Michel 5G

J’ai vraiment aimé sa présentation théâtrale. Je trouve que c’est une bonne idée de sa part. Aussi la présence de la traductrice m’a donné une nouvelle impression sur son travail, un aspect que je ne connaissais pas. Le thème de l’intégration était très intéressant, surtout d’en parler avec quelqu’un qui l’a vécu lui-même.
Salomée 5G

J’ai trouvé le théâtre qu’il avait joué très intéressant et bien joué. Je trouve que ce jeu a rendu la présentation très attractive et rigolote. J’ai aussi trouvé les choses qu’Eugène a dit sur sa vie intéressantes. Il n’y avait rien que je n’ai pas aimé. J’ai trouvé que tout était bon et intéressant. Ce n’était pas une présentation typique puisque l’auteur a lu une partie de son livre.
Berfin 5G

Ensuite, quelques résumés de chapitres choisis:

Résumé chapitre 11: La maquette de l’Empire contre-attaque

Le protagoniste va dans un magasin pour acheter la maquette de l’Empire contre-attaque, l’épisode V de La Guerre des Étoiles. Il parle du film, des caractères et comment le film était fait. Il dit qu’il peut reproduire les sons de par exemple un pistolet laser ou du Millenium Condor au moment du décollage. Ses parents lui ont donné le fric pour l’acheter.

Après qu’ il arrive à la maison, il aligne toutes les pièces de la maquette sur une grande table. Sa maquette lui donne le sentiment de passer à l’âge adulte. Après avoir tout installé, il appelle son père qui prend une photo de lui et sa maquette. Sa mère lui donne les photos développées après 10 jours mais ils sont toutes des échecs parce que la caméra de son père n’a pas de zoom.

Quand son école continue, il a un nouvel élève dans sa classe, Vittorio, qui est (un) Italien. Il n’est plus puceau. Ça rend le protagoniste tellement confus qu’il doit ruminer sur tout ça dans un parc. (ruminer qc ou sur qc., réfléchir à qc). À la fin, il s’imagine une nouvelle scène de La Guerre des Étoiles.

Anna 4f

Résumé chapitre 12 : Nashville et Belleville

Eugène regarde l’émission de musique Champs-Élysées avec ses parents. Son frère est sorti avec des amis. A la télé Eddy Mitchell chante sa nouvelle chanson ‘Nashville et Belleville’. Eugène ne comprend pas vraiment les paroles et il les interprète d’une manière complètement incorrecte. Il réfléchit beaucoup à la signification des mots et il fait des réflexions bizarres. Il pense par exemple que Memphis se trouve en Egypte et que Belleville est Versailles. Quand il ne comprend plus rien il demande à son père de lui expliquer la chanson. Son père lui dit qu’il ne comprend rien non plus parce que le chanteur articule trop mal. A la fin il parle de la géométrie et qu’à l’école ils sont obligés de noter CQFD en bas de leurs feuilles, ça signifie ‘Ce Qu’il Fallait Démontrer’ mais tout le monde dit que ça veut dire ‘C’est Quasiment Foutu D’avance’. Il se fait aussi des soucis parce qu’il ne se croit pas capable de comprendre toutes les références à la télé, au cinéma et à l’école.

Miranda, 4f

résumé chapitre 13: L’aiguille à ponction

Eugène doit prendre le bus à l’hôpital parce qu’il a des bosses sur tout le corps. Il a la polyarthrite juvénile depuis l’âge de douze ans.Pour se guérir, il a essayé beaucoup de régimes et aussi la médication alternative. Maintenant, sa polyarthrite s’est enflammée. Le médecin lui raconte qu’il a la psoriasis, une maladie qui attaque les articulations et se transforme souvent en polyarthrite. Un peu après, il commence à chercher quelque chose. Eugène se met à fixer ses yeux sur un poster accroché au mur. Le médecin rentre avec un bassin métallique, un tube et une aiguille monstrueuse. D’abord, Eugène pense que c’est une blague, mais le médecin est sérieux. Il explique qu’il va vaporiser un spray sur son genou, pour éviter la douleur de la procédure, et puis extraire le liquide avec l’aiguille. Puis il commence, et Eugène regarde le liquide qui enfile le tube et arrive au bassin…

résumé chapitre 20. Mon carnet de voyage

[la Syrie: pays de voyages agréable sur ces pages, il y a 20 ans…à l’époque on n’aurait pas vraiment pu imaginer la catastrophe actuelle, quoique ce régime-là fût aussi une dictature!]

 Dans ce chapitre, le protagoniste est en vacances en Syrie. Il est dans un café où il attend un homme qui s’appelle Ahmed. Il a rencontré Ahmed à l’office des prolongations de visas, où il l’a aidé. Il lui parle de sa vie en Suisse, et Ahmed l’invite à le rencontrer au Café Nao Fara ce soir.

Tout à coup, un homme avec un sabre et un bouclier entre au café et il se met à scander. Après une demi-heure, il a fini. Tout le monde l’applaudit et le protagoniste prend son petit carnet de voyage et lui demande s’il pourrait faire un trou avec son sabre sur une des pages de son carnet.

Il explique aux gens qu’il n’écrit jamais dans ce carnet parce qu’il pense qu’il écrirait toujours la même chose, alors il met toujours de petits objets dans ce carnet qui lui rappellent ses voyages.

Tous les gens au café sont très impressionnés de lui et il est invité plusieurs fois à dîner ce soir.

Hester, 4f

 

 

 

Bildbeschreibung: Robert Doisneau, Les enfants de la place Hébert“, 1957

17 Donnerstag Mrz 2016

Posted by kirschgartenstudio in SchülerInnen-Textarchiv

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ROBERT_DOISNEAU_Les_Enfants_de_la_Place_HebertIn einer Bildbeschreibung besteht die Kunst darin, in Sprache zu übersetzen, was im Bild zu sehen und wie es aufgebaut ist. Dabei soll nicht interpretiert werden. Das ist oft gar nicht so einfach, da die Sprache dies unterschwellig stöndig machen möchte – aber man kann sie für das genaue Beschreiben trotzdem ganz gut gebrauchen!

Hier ein Beispiel:

„Les enfants de la place Hébert“ ist der Titel einer Fotografie von 1957. Das Bild, welches ich vor mir habe, ist eine in Graustufen ausgedruckte Kopie davon.
Im Vordergrund sind drei Menschen zu sehen, im Hintergrund ein Coiffeursalon, hinter dem ein weiteres Haus steht. Dazwischen befindet sich jeweils eine gepflasterte Strasse.
Bei den drei Menschen handelt es sich um zwei Mädchen und einen Jungen. Sie stehen auf dem Bürgersteig. Zuvorderst ist eines der Mädchen, sie ist die jüngste. Sie steht frontal zum Betrachter. Sie trägt eine weisse Schürze und darunter einen Pullover. Die Schürze reicht bis knapp über ihre Knie, von dort an trägt sie möglicherweise Strümpfe, oder ihre Beine sind nackt bis zu ihren Schuhen. Sie hat beide Arme angewinkelt am Körper, mit den Handflächen zu sich gedreht. Ihr rechtes Bein ist eingeknickt und steht vor dem linken. Ihre Haare reichen bis zu den Schultern, und Fransen verdecken die Stirn. Das andere Mädchen steht so hinter ihr, dass wir ihre rechte Körperhälfte voll sehen, aber die linke zum Teil verdeckt ist. Sie ist fast doppelt so gross wie das erste Mädchen. Sie steht ein wenig in den Knien. Mit ihren Händen berührt sie das kleinere Mädchen an den Schultern. Sie trägt einen Mantel, der über ihre Knie reicht. Von ihrem linken Bein sieht man nur Streifen, und von ihrem linken Fuss, der ein Stück nach aussen gedreht ist, sieht man die Spitze nicht. Ihre Haare sind gleich lang wie die von dem kleinen Mädchen, aber sie sind dunkler und sie hat keine Fransen. Sie zieht ihre Augenbrauen hoch und spitzt ihren Mund, heute nennt man das „duckface“.
Der Junge schaut als einziger nicht zum Betrachter. Er steht ein Schritt weiter rechts und lehnt sich an eine Säule. Wir sehen ihn von links. Er trägt dunkle Kleider, sein Blick ist gesenkt, seine Beine sind überkreuzt und die Hände hat er in den Hosentaschen. Auf der Seite sind seine Haare kurz und oben hat er sie nach hinten gegelt. Vorne an der Jacke sind auf Brusthöhe weisse, horizontale Striche, welche Brusttaschen sein könnten. Er ist der grösste von den dreien. Die Säule an die er sich lehnt, füllt den rechten Bildrand, bis auf einen kleinen Raum oben und unten, wo Hauswand und Bürgersteig die Fläche decken. Die Säule ist unten senkrecht gestreift. Etwa auf der Höhe der „Brusttaschen“ des Jungen ist sie nicht mehr gestreift. Dort sind in der Säule zwei vergitterte Löcher übereinander sichtbar, was aussieht wie ein Lautsprecher. Das obere Loch ist auf Kopfhöhe des Jungen. Darüber ist ein Kästchen mit der Aufschrift „POLICE“.
Die Strasse hinter den Kindern macht eine Abzweigung. Ein Weg führt hinter dem Coiffeursalon durch und der andere geht vorne durch und bildet die Strasse zwischen den Kindern und dem Eckhaus mit der Aufschrift „COIFFEUR“. Bei der Strasse, die hinten durchführt, steht auf der dem Coiffeursalon gegenüberliegenden Strassenseite „LA PISCINE“ angeschrieben.

Reyan Chaaban, 2Ü 2015/16

Völkerwanderung – Sequenzierung der eigenen DNA : ein Laborpraktikum am Life Science Zurich Learning Center

17 Donnerstag Mrz 2016

Posted by kirschgartenstudio in SchülerInnen-Textarchiv, SchülerInnenprojekte

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Die 4f hat in einem Zürcher Labor ihre Ahnen gefunden… wie bitte? Also wir warten noch auf die Fotos im richtigen Dateiformat, so lange hier der pdf-Link zum Protokoll zu diesem Besuch…

Bericht Sequenzierungspraktikum 

Die Kröte muss sich ducken, der Drache fliegt durch die Finsternis – Gedichtinterpretationen, Gedichtvergleich

17 Donnerstag Mrz 2016

Posted by kirschgartenstudio in Aus dem Unterrichtsalltag, SchülerInnen-Textarchiv

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Zu den Gedichten geht es hier:

GEDICHTVERGLEICH

Die folgenden Beipiele von Interpretationen von zwei Gedichten sollen zeigen, dass Interpretieren nicht die krampfhafte, verzweifelte Suche nach dem ist, was die AutorInnen „eigentlich“ in ihrem völlig unverständlichen Text sagen wollten, sondern dass Interpretation die Auseinandersetzung mit dem genauen Lesen, nahe am Text, meint. Genau sein, sich von der Sprache den Weg weisen lassen, die Kriterien der Interpretation konsequent anwenden – dann „leuchtet“ die Sprache des Gedichtes immer mehr hinein in den Sinn, der sich beim Interpretieren entwickelt:

 

Alle tausend Jahre

Erstes Beispiel einer Schülerinneninterpretation

„Das Gedicht Alle tausend Jahre von Arno Holz beschreibt, wie – nach jeweils langer ‚Trockenzeit’ dazwischen – ein Moment des Glücks erlebt wird.

Gut spürbar ist der Zeilenstil, da Satz- und Strophenende miteinander übereinstimmen. Nach jeder Strophe, die auch ein Satz ist, gibt es eine kurze Pause, ohne jedoch dem Text ein rauhes oder gar hartes Gesicht zu geben.

Typisch für den Naturalismus hat Arno Holz in diesem Gedicht auf Reime und Metrik verzichtet.

Beim ersten Durchlesen wirkte es für mich dadurch fast wie eine Kurzgeschichte, bzw. stand nicht im Vordergrund, dass es ein Gedicht ist.

Nur Wörter wie „entseelte Himmel“ oder „Myriaden“ deuten auf einen pathetischen Sprachstil hin, wie er etwa für eine Ode typisch wäre.

Das Gedicht aus dem Zyklus (zweites Heft), wurde 1899, am Ende des Naturalismus, publiziert. Im ausgehenden 19. Jahrhundert drehte sich auch in der Lyrik alles um soziale Aspekte. Begriffe wie Grossstadtlyrik machen deutlich, dass die Reizüberflutung das Sozialkritische auch in viele Gedichte steigen liess.

In Deutschland kam es nicht zu den grossen Umwälzungen wie z.B. in Frankreich, aber gerade in der Lyrik wurde ohne Grenzen gedacht, oder zumindest über konventionelle hinaus.

Diverse Teile des Gedichtes zeigen den Wunsch nach Freiheit und Unabhängigkeit deutlich – 1. Strophe, Z.2: „[…] wachsen mir Flügel“. Flügel würden ein Flüchten in eine ‚bessere’ Welt und so dem lyrischen Ich die Selbständigkeit ermöglichen, die es sich wünscht.

Auch der „purpurne Drachenleib“ in der Finsternis vermittelt dieses Bild. Der Drache, ein symbolisches (Wappen-)Tier für Unabhängigkeit, Macht, Freiheit, Verwandlung; die Finsternis eine Möglichkeit für das lyrische Ich, die Welt der Schatten und schemenhaften Figuren so zu sehen und zu bewerten, wie es sich das wünscht.

Durch das Gedicht hindurch zieht sich eine Energie. Der Moment des Glücks, wenn man flüchten kann und durch die Dunkelheit fliegt, erfährt seinen Höhepunkt, wenn man den Himmel erreicht hat (Strophe 3).

„Am Bach, unter Weiden[…]“ leitet den Schluss ein, wo die Ruhe zurückkehrt, zur Harmonie wird, während die neu gewonnene Sorglosigkeit ausgekostet wird (Str. 4, Z. 3,4: […] singe und freue mich […]“.

Das lyrische Ich scheint zuerst beinahe passiv. Selten, nach einem viel zu langen Zeitabstand (1000 Jahre sind ja nicht ein menschliches Alter, sondern eine Hyperbel, um die eigentlich gemeinte Zeitstrecke zu verstärken) wird es zu einem „Drachen“ und kann endlich die verschlossene Freiheit ausleben.

In der letzten Strophe kann es in Ruhe sitzen, nach oben schauen und sich über all die schönen Dinge freuen, die es in der letzten Zeile der vorherigen Strophe erschaffen hat.

Erst hier, in der letzten Strophe, wird zum ersten Mal eine Vermutung zum Wesen des lyrischen Ich aufstellbar. In Z. 3 denkt man nämlich an eine Frau, kein fremd anmutendes Wesen, sondern eben ein Mensch: „[… F]lechte mein langes Goldhaar […]“ deutet darauf hin, dass das lyrische Ich, zumindest zeit- oder stellenweise, eine Frau repräsentiert. Nimmt man den nächsten Teil des Satzes hinzu – „[…] singe und freue mich, wie sie oben glitzern.“ – könnte man auch meinen, dass es ein Mädchen ist, mit aller kindlichen Freude am Glitzern eines Sterns.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich das Gedicht umso schöner finde, je länger ich mich darin vertiefe. Fehlen von Reim und Metrik stört keineswegs, ganz im Gegenteil: Der leichte Lesefluss in edler Gestalt lässt die entstehenden Bilder sich erzählen, was zu einem harmonischen Leseerlebnis beisteuert und gerade in der heutigen, hektischen und oft sozial eingegrenzten Zeit einen Ort schafft, wo man all dies wieder empfinden kann.“

Masha Streiff, 4f,  2015/16   

2. Beispiel:

Hier noch auszugsweise ein weiterer überraschender Interpretationsansatz zu Alle tausend Jahre

„[…]Das Gedicht handelt von einer verstorbenen Liebe. Das lyrische Ich stellt sich vor, wie die Seele der Vermissten sich frei bewegen kann und die Gestalt eines purpurfarbenen Drachen annimmt. Dieser majestätische Drache kann sich durch Raum und Zeit bewegen und fliegt durch die Ewigkeit hindurch. Das ist der Kerngedanke. Er fliegt ohne Zeit, für uns scheinen tausend Jahre viel, aber in der Ewigkeit gibt es keine Zeit mehr. Sie ist nicht mehr die Hand über der Existenz, die unsere Welt dreht und unsere Haare wachsen lässt. In der Ewigkeit ist man Teil der Zeit. Das ewige Leben als Drache, der sich zurückverwandeln kann, wie es ihm passt, wie es ihm beliebt: Das ist es meines Erachtens, was Arno Holz sich für seine ruhende Liebe vorgestellt hat.

[…] In dieser Auffassung vom „ewigen Leben“ (hier wohl nicht in erster Linie in einem christlichen Sinne) ist die Zeit nicht mehr als solche existent, deswegen kann sie sich beliebig verwandeln, weil es immer „tausend Jahre“ sind, oder hundert Jahre, oder welche Zahl auch immer, und der Drache selber die Zeit in sich aufgehoben hat.

[…] Als ich das Gedicht ein erstes Mal gelesen habe, ist nichts durchgekommen. Nach wiederholtem Lesen hat es plötzlich „KJlick“ gemacht und ich habe meine Interpretation vage vor mir sehen können. Das Gedicht beeindruckt mich deshalb sehr, weil es so viele Arten der Interpretation und zugleich eine sehr abstrakte physikalische Situation zulässt. Das ewige Leben im Paradies ist hier ein eigentümlicher Zustand von Raum und Zeit. Das finde ich höchst interessant.“

Gabriel, 4f

 

… und jetzt eine Interpretation des Gedichts von Gertrud Kolmar, „Die Kröte“: Die Redaktion hat sich bei den folgenden beiden Texten erlaubt, an etwa je 10 Textstellen ein paar kleine Veränderungen (in diesem Blau) im Sinne einer möglichen Vertiefung vorzunehmen. Denn diese Texte sind ja in einer begrenzten Zeit entstanden; da konnte man nicht zigmal den Text überarbeiten. Einige der  Ideen für diese Veränderungen stammen allerdings aus der vergleichenden Lektüre aller Aufsätze der Klasse: Die vielen Interpretationen nebeneinander haben das Gesamtverständnis erweitert. Also weiter geht’s:

„Das Gedicht die Kröte von Gertrud Kolmar ist in Gertrud Kolmar: Das Lyrische Werk. Gedichte 1927-1937 abgedruckt. Genau datiert ist es nicht, man kann das Datum nur einem Jahrzehnt zuordnen.

Auf den ersten Blick scheinen die Zeilen ein Naturgedicht zu sein, beim näheren Betrachten und Interpretieren wird einem aber die Brutalität des Dargestellten klar.

Die Kröte, hier das lyrische Ich (von Strophe 2 an), die anfangs noch friedlich unter einer Regentonne hockend den Sonnenuntergang betrachtet, wird gegen Ende von dunklem Morast weggespült und ruft schliesslich zu ihrer Tötung auf; sie gibt den Kampf auf.

Die Dichterin wurde 1943 in Auschwitz ermordet, die zeitliche Einordnung erfolgt also in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg, der Zeit der Machtübernahme durch die Nazis, welche den Antisemitismus zum Programm machten.

Eine Deutungshypothese lässt sich am Schicksal der Autorin festmachen, nämlich das Gedicht als Aufruf zu verstehen, wie es kommen wird, wenn so weitergemacht wird (Tötungen waren gerade noch nicht an der Tagesordnung), dunkle Aussichten zum Schicksal der Juden in Deutschland, ein Sich-Stellen-Müssen gegenüber dem übermächtigen Feind.

Zum Thema macht das Gedicht jedoch zuerst eine Kröte und deren Lebensraum – oberflächlich zumindest. Von unten taucht mit der Zeit aber eine Bedeutungsschicht auf, die für das gesamte Gedicht gelten kann. Es ist brutal und abschreckend, ernst wie der TOD.

Zu Beginn ist das lyrische Ich noch nicht klar definiert, eine natürliche Umgebung wird beschrieben.

Die zweite der insgesamt fünf Strophen des Gedichts lässt ein klareres lyrisches Ich erkennen. Die Kröte steht im Zentrum, sie beschreibt nun in der Ich-Form ihre Umgebung und nimmt gefühlvoll Bezug auf die Strophe davor, in welcher die natürliche Umgebung einer Kröte beschrieben wird. Die Kröte beschreibt weiter die Geräusche, die sie hört. Sie horcht und schweigt (V. 22) […] und zerrt sich an fingrigem Bein (V. 23).

Dies bildet allmählich den Übergang von der Kröte im natürlichen Sinne (bzw. aus deren Blickwinkel; obwohl Kröten wohl kaum so denken würden, aber diese positive Vermenschlichung ist keine rein tropische, weil doppeldeutig und auch zu verstehen als negative belastende Metapher für die Dichterin, weil Kröten als aufsässig und hässlich gelten und sie sich in Deutschland auch so fühlte: Wie eine Kröte mit kurzen Beinen, hockend und zuschauend und verachtet von jedermann. Doch langsam wird das Bein, auf dem sie steht, wackelig; die intakte Naturwelt verschwindet, es bahnt sich etwas an.

Das lyrische Ich wird immer mehr zu einem menschlichen Wesen, bzw. nimmt die Stellung dafür ein.

Das Gedicht zeigt Kreuzreime sowie umarmende Reime, doch ein durchgehendes Schema kann nicht erkannt und das Gedicht somit keiner typischen Gedichtform zugewiesen werden.

Die spezifische Sprache birgt Tropen, sie ist schön und oft leicht kryptisch. Sie ist im Präsens verfasst.

Wie schon in der Einleitung erwähnt ist die Bildwelt des Gedichts düster. Die Stimmung wird immer melancholischer, vielleicht auch wütender.

Eine Vermutung ist, dass das Gedicht von den biografischen Erfahrungen der Autorin geprägt ist. Ihr friedliches Leben nahe der Natur (oder nahe der Suche nach der Sprache der Natur), das friedliche Leben der Kröte am Anfang geht über in eine dunkle Sicht auf das Leben, ein Leben voller drohendem Kampf, voller Angst.

Ein Gedanke zieht sich aus dem Schlamm (der Gedanke an den Nationalsozialismus und Antisemitismus). Kein guter Gedanke, denn er spült das lyrische Ich dahin, in Form von schwarzgrünem Efeu (V. 31). Die Kröte, der verzweifelte Mensch, versucht zu schwimmen, zu atmen, über Wasser zu bleiben, um nicht unterzugehen (geht eine Kröte unter?), in einer Welt, in der sie nicht erwünscht ist, in der sie nicht mehr sein soll. Langsam wir der Kampf, vielleicht der Kampf ums Überleben, aufgegeben, demütig möchte sie sich ihrem Schicksal ausliefern. Sie ist umgeben von Ruhe, ist von der Sorge befreit, kämpfen zu müssen, fliehen zu müssen, denn sie glaubt, dass alles keinen Sinn mehr hat.

Zum Schluss spricht sie fast trotzig davon, dass der Feind nur kommen solle. Dass er sie töten soll. Denn auch wenn sie in dessen Augen Ungeziefer ist (V. 37), weiss sie, was sie wert ist, was ein Mensch wert ist und was der Feind verliert, wenn er sie getötet hat: nämlich den Edelstein (V. 33). Der Edelstein steht für etwas Wertvolles, Teures und Schönes. Verloren ist verloren und der Feind ist selbst schuld.

In diesen letzten Versen bezieht sich der Inhalt einerseits auf das lyrische Ich als Mensch, aber auch als Kröte. Denn für die Kröte ist das Leben alles, was sie hat, auch wenn sie von grösseren, stärkeren Lebewesen (Menschen) nur als ekles Geziefer betrachtet wird. (V. 37).

Das Gedicht hinterlässt beim Leser viele offene Fragen. Es macht Eindruck, denn ist es anfangs noch lieblich, friedlich, wird es doch – zuerst ganz ohne dass der Leser es bemerkt – brutal und erschreckend, vielleicht als Gleichnis für ein Leben wie jenes von Gertrud Kolmar.

Anfangs sich in Sicherheit wiegend, in gewohnter Umgebung, geht es weiter bis zur Vertreibung, zur Gewalt, zum Tod.

Die anfängliche Vermutung, das Gedicht trage autobiografische Züge, besteht nach wie vor, die Kröte kann nach und nach als die Autorin identifiziert werden, wird immer mehr zu ihr – was ihren Tod bedeutet – und erzählt aber immer noch ihre Geschichte.“

Sophie, 4f

 

Und nun der Vergleich der beiden Gedichte in Form eines Aufsatzes…schwieriger oder naheliegender als eine Einzelinterpretation? Urteilt selbst…

„Das Gedicht Die Kröte stammt aus einer Sammlung von Gedichten, die zwischen 1927 und 1937, also erst nach dem Tod der Autorin, erschienen sind. Es handelt von einer Kröte, die ihren Lebensraum umschreibt.

Es ist in fünf Strophen gegliedert, die fast alle, mit Ausnahme er zweiten, aus acht Versen bestehen. Die erste Strophe weist zuerst einen Kreuzreim (abab) und dann einen umarmenden Reim (cddc) auf. In den übrigen Strophen treten nur noch Kreuzreime auf, gemäss dem abab cdcd-Schema. In den meisten Fällen beschränkt sich der Reim auf das Ende der Verse, nur in der zweiten Strophe im letzten Vers nicht, dort sind zwei in einem (was wohl auch daran liegt, dass diese Strophe nur aus 7 Versen besteht – ein typografisches Versehen? Vielleicht ging lediglich der Zeilenbruch vergessen…).

Der allererste Reim der ersten Strophe ist weiblich, dann folgt ein männlicher Reim, dann wieder ein weiblicher, und so zieht es sich durch das ganze Gedicht.

Die eigentümliche Sprache dieses Gedichts ist reich an Tropen, vorwiegend Metaphern, auch einige lautmalerische Begriffe sind vorhanden, so zum Beispiel „knistert“ in I.6 (sechster Vers der ersten Strophe) oder „Gewisper“ in III.2.

Das zweite Gedicht, Alle tausend Jahre von Arno Holz, ist komplett anders aufgebaut. Es stammt aus dem Zyklus Phantasus (2. Heft), das 1899 veröffentlicht wurde, es ist also eine Generation älter als das von Gertrud Kolmar.

Es handelt zwar auch von einem tierartigen Wesen, nämlich einem drachenartigen Geschöpf, dem sich aber, im Gegensatz zur Kröte, riesige, unendliche Räume in einem paradoxerweise viel kleineren sprachlichen Rahmen auftun, wie schon an der Struktur des Gedichts erkennbar ist.

Es ist in vier Strophen gegliedert. Die erste besteht aus nur zwei Versen, die zweite und dritte jeweils aus drei und die vierte aus vier Versen. Es lässt keinen Reim erkennen, weist also zumindest auf dieser Ebene eine viel geringere Strukturiertheit auf.

Auch die Ausrichtung des Gedichts bestätigt dies: Es verläuft optisch von der Mitte aus auf beide Seiten hin. Die Verse sind jeweils unterschiedlich lang und sperren sich gegen eine konsequent metrische Lesart. […]

So entsteht ein komplett anderes optisches Gesamtbild als in Die Kröte, dessen Verse von links nach rechts ausgerichtet sind abwechslungsweise kurz oder lang sind (wie ein versteckter binärer Code, eine geheime Nachricht ?). In beiden Fällen trägt das Erscheinungsbild bereits viel zum Verständnis des Inhalts bei: Hier geht es um eine Kröte, es wird ein bescheidener Naturraum beschrieben. Es herrscht eine Tageszeit vor; so deutet die Metonymie Abends hohe Röte wohl auf das Abendrot, den Sonnenuntergang hin.

Danach bricht die Dunkelheit herein, das Nachtleben erwacht. Die Kröte fühlt sich wohler im Schattenleben, sie fühlt sich hier besser als unter dem Licht der Sonne, denn: „Auf das Verenden der Sonne lauert mein schmerzlicher Mondenblick“.

Das lyrische Ich schildert in diesem Gedicht sein nächtliches Leben. Die Kröte steht für ein eher unbeliebtes Tier, sie beschreibt sich selbst (oder zitiert die abwertende Fremdbezeichnung, die ein feindseliges Du zu verwenden scheint) auch als „ekles Geziefer“.

Spätestens hier drängt sich ein biografischer Deutungsaspekt auf: Könnte dies nicht ein Hinweis auf die Autorin sein, die Jüdin war und in der Zeit, in der sie dieses Gedicht verfasste, wohl unter mehr als nur schweren antisemitischen Beleidigungen und Aktionen leiden musste. Die Kröte ist ein kriechendes Tier, sie sieht die Welt aus einer ähnlichen wie der Froschperspektive. Jetzt erklären sich auch die vielen, den Wahrnehmungsunterschied zu uns anderen Menschen unterstreichenden Wortstamm-Neologismen in der ersten Strophe (etwa Dämmer statt Dämmerung, steilen als Verb).

Dies alles vermittelt ein engeengtes Gefühl, sie hat nur kurze Beine, kommt nicht schnell von einem Ort zum anderen, ist eingeschränkt. So beschränkt sich das Gedicht einerseits auf einen Ausschnitt ihrer natürlichen Umgebung, wobei andererseits zu dieser naturgegebenen Eingeschränktheit noch eine Bedrohung von aussen kommt.

Im zweiten Gedicht zeigt das Drachentier ein ganz anderes Verhalten. Es handelt sich hier wohl um einen mächtigen, seiner symbolträchtigen und kulturellen Traditionen bewussten Drachen, der seine grossen Flügel ausbreitet und in eine Art Traumwelt fliegt. Der Titel deutet an, dass hier die Zeit im Nu vergeht. Der Drache fliegt durch die Ewigkeit, sprengt den Rahmen der Zeit. Diese freie, grenzenlose Welt wird durch die ziemlich freie Struktur des Gedichts nochmals verstärkt. Auch der Satzbau schmiegt sich unaufgeregt in die Anordnung der Strophen, als wäre all dies irgendwie selbstverständlich, weil wir uns eben im Drachenmodus befinden.

Der Drache blickt sozusagen aus der der Kröte entgegengesetzten Richtung, von oben auf die Welt nieder. Er ist Teil einer überzeitlichen Umgebung, verschmilzt in ihr.

Er begibt sich in eine Art Nirvana, in entseelte Himmel, wie es hier heisst. Er ist gross und stark, ihn bedroht nichts, nicht so wie die Kröte des ersten Gedichts.

In der letzten Strophe zeichnet sich ein deutlicheres Bild einer Art Landschaft auf Erden ab, doch erinnert es nicht sehr an die dunkle, archaische Welt des ersten Gedichts. Es ist eine weitläufigere Fantasiewelt mit Märchenmotiven, idyllisch, ruhig und wiederum zeitlos – ganz im Gegensatz zur Krötenwelt, wo wir im Zeit-Raumgefühl der Kröte um ihr Leben bangen.

Klar geworden ist, dass die jeweiligen Gedichte, obwohl sie beide von Tieren oder tierähnlichen Wesen handeln, eine komplett unterschiedliche Erlebniswelt entwerfen.

Die erste ist die einer wahrhaftigen, naturgetreuen Umgebung, sie wird in einem sehr strukturierten Modus und in einer klangvollen und bildreichen Sprache geschildert, beschränkt sich aber auf nur diese, auf das Momentane, das Hier und Jetzt der Kröte, inklusive unmittelbare Bedrohungslage.

Im zweiten Gedicht wird eine überzeitliche Welt geschildert, befreit von regelmässigen Abläufen im Kleinen oder engmaschigen Strukturen. Sie erscheint wie eine Traumwelt, in der man plötzlich anderswo auftauchen oder Sterne speien kann.

Bei beiden Gedichten fällt die bewusst gewählte optische Struktur auf: Das zweite will ein Gefühl der Leichtigkeit angesichts des Unermesslichen erwecken, das erste wohl eher die damalige Lage und die Gefühlslage der Autorin widerspiegeln, vielleicht hoffend auf weitere Verzweifelte oder zumindest ein Vermächtnis, das unzerstörbar ist: Den Edelstein.

Das einzige Objekt in diesem Gedicht, das auch im anderen seinen Platz fände.“

Hester, 4f

 

 

 

 


 

 

 

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